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Dritte Midlife-Crisis? Bootcamp!

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Ich gehe auf die 50 zu. Ich darf das sagen. Du besser nicht zu mir. Sonst Beule, Kollege. Ich werde nicht gerne älter. „In Würde altern“ habe ich früher oft gehört. Ne, tut mir leid. Das sehe ich nicht. Also ist mein Ego seit ein paar Monaten im Ausnahmezustand. Defcon 1. Mit Sternchen. Natürlich kann ich das Altern nicht bremsen. Und auch wenn die Idee eines Jungbrunnens wirklich verlockend klingt, die Suche nach so einem Tümpel erscheint selbst mir sehr sinnbefreit.

Also. Yolo, Digga. Mach was draus. höre ich mich selbst zu mir sagen. Ende Oktober 2017. Auf einem Balkon in Tokio. Direkt über einer Stadtautobahn. Morgens um 3 Uhr. Direkt nach dem Aufstehen. (Und weil es einfach zur Stimmung passt:) Mit einem Panorama, wie ich mir Chiba-City im Newromancer immer vorgestellt habe.

Was machen.

Easy.

Habe ich mir so gedacht. Und seitdem einiges getan. Im Juni 2017 bringe ich 102.6 kg auf die Waage. Nein, das ist kein Kampfgewicht. Sondern Fett! Schon da habe ich mir gesagt. Jan, Du musst etwas ändern. Und mir die fünf Nutella-Toasts am Abend verboten. Halbherzig. Seit meinem Tokio-Entschluss habe ich tatsächlich mein Leben umgestellt. Und das war weniger dramatisch, als es sich anhört. Ich habe den Sport in meinem Leben die höchste Priorität eingeräumt. Sport heisst für mich Laufen. Forrest Jan. Oder auch gerne. Jan Gump. Im Oktober, direkt nach meiner Rückkehr aus Tokio, laufe ich an drei Tagen 16 Kilometer. Im November schnüre ich 19 mal meine Laufschuhe und erreiche 147 Kilometer. Im Dezember sind es 170 Kilometer resultierend aus 15 Läufe.

Nein, ich gehe das nicht vernünftig an. Ich habe keinen Coach, keinen Plan, keine App und ignoriere alle Ratschläge der vernünftigen Leute. Mimimi-mi, du musst auch mal Pausen einlegen. Mimimi-mi, du darfst nicht jeden Tag laufen. Mimimi-mi, 10 Kilometer sind doch zu viel. Mimimi-mi, mein Arsch! Natürlich haben sie alle Recht. Aber ich sage, dass man Seele und Körper erst einmal vergaukeln muss, dass der Sport, bei mir also das Laufen, einfach zum Alltag gehört. So wie das Essen und das Atmen. Und das geht bei mir nur über stete Penetranz. 16 Läufe im Januar – 165 Kilometer. 16 mal im Februar gelaufen – 160 Kilometer.

Im Februar bin ich viel unterwegs. Ich laufe nicht gern auf dem Laufband. Ich mag keine Fitness-Studios und auch die Luft in den Hotel-Gyms nimmt mir den Spass am Atmen. Aber ich bin nun mal beruflich viel unterwegs. Also reist mein Laufzeug jetzt fortan mit. In Barcelona schaffe ich es, mein Laufbahn-Trauma zu überwinden und laufe 12 Kilometer ohne vom Fleck zu kommen. Langeweile pur? Ja. Aber mit Metallica im Ohr. Nothing else matters …

Seit Juni 2017 habe ich 17 Kilo abgenommen.

Geht doch.

An den letzten beiden Tagen habe ich eine kleine Deutschland-Tour unternommen. Bielefeld – Frankfurt – Weiterstadt – Stuttgart – Augsburg – München – Würzburg – Bielefeld. Im Auto. Kein Laufzeug dabei, ich bin ja im Plan. Aber den ganzen Tag sitzen. Auf dem Rückweg von Würzburg nach Bielefeld habe ich eine Packung Trauben, drei Äpfel und 2 Riegel Schokolade gegessen. Und wollte doch etwas Warmes. Zum ersten Mal seit ein paar Wochen bin ich mal wieder bei McDonald eingekehrt. Weil es eben so schön einfach ist. Direkt neben der Autobahn. Schnell. Warmes Essen. Fleisch.

Von wegen. Ich habe über 15 Minuten auf einen Cheeseburger, eine BigMac und einen Chicken-Wrap gewartet. 5 Euro irgendwas bezahlt. Der Cheesebburger war kalt. Der BigMac lieblos, aber immerhin mit extra viel Salat. Und im Wrap war so viel Majonäse, dass ich nicht sagen kann, ob wirklich Hühnchen dabei war. Mir war sofort schlecht. Ich übergebe mich nicht gerne. Das liegt mir nicht. Aber ich habe 50 Kilometer lang überlegt, ob ich mir nicht doch den Finger in den Hals stecke. Nicht unverständlich. Denke ich. Denn irgendwie habe ich – ganz nebenbei – meine Ernährung umgestellt. Und sprich mich nicht drauf an. Ich werde es abstreiten. Bin doch kein durchgeknallter Körnerfresser.

Gesund essen?

Hau ab! Äh, ja.

Ich kann kein Junkfood mehr sehen. Jedes verdammte Mal, wenn ich mal wieder dem Trugschluss erlegen war, dass es doch ne prima Sache wäre, mal schnell was zu essen, habe ich es bereut. Mal davon abgesehen, dass – verdammtes Altern – mein Verdauungstrakt diesen Müll nicht mehr richtig verarbeiten kann, mir wird regelmässig schlecht von dem Frass. Fastfood adé. Ohne Reue. Stattdessen am Supermarkt anhalten. Ein Stück Lachs und eine Avocado mitnehmen. Ja. Kann man zur Not auch mit den Händen essen. Sieht dann nur nicht so schön aus. Macht mich aber satt. Finde ich auch lecker. Und mir wird nicht ein bisschen schlecht.

Der Witz an der Ernährung ist jedoch – eine Umstellung war nicht geplant. Sie ist einfach passiert. Und es fällt mir auch nicht schwer. Ich esse abends hin und wieder immer noch zwei ganze Tafeln Schokolade. Ich habe immer noch keine Ahnung, was wieviel Kalorien hat. Und es interessiert mich auch nicht. Die ganzen Diäten halte ich auch für einen Witz. Aber jeder wie er will. Ich meine, dass Bewegung der Schlüssel ist und alles andere folgt dem dann. Einfach so.

Und dann habe ich auch noch aufgehört zu Rauchen.

O.M.G.!! Und als nächstes lässt du dich kastrieren?

Ich bin ein Spätentwickler. Habe auch erst mit 18 angefangen zu rauchen. Also blicke ich auf eine nunmehr fast 30jährige Raucher-Karriere zurück. Ich rauche gerne und ich finde Rauchen auch cool. Seit 20 Jahre drehe ich Zigaretten. Ich mag das. Das Drehen. Das Anstecken. Das Rauchen. Und ich finde Rauchen auch extrem gesellig. Obschon man feststellen muss, dass man heuer doch oft genug gesellig alleine im Kalten steht zum Rauchen. Seit über zwei Wochen rauche ich nicht mehr. Nein. Ich rauche jeden Abend eine Zigarette. Ich will es mir ja nicht zu einfach machen.

Es folgt eine Lektion im absoluten Selbstbeschiss. Zu meinem letzten Geburtstag habe ich mir als Ziel gesetzt, sechs Wochen nicht zu rauchen (im Folgenden heisst Nicht-Rauchen, dass ich eine Zigarette am Tag rauche). Und zwar nur, weil ich wissen möchte, wie sich das auf mein Laufen auswirkt. Mir ist klar, dass es sich auswirken wird. Und ich weiss, dass es sich nach 6 Monaten wohl deutlicher auswirkt. Aber mir reichen eben sechs Wochen. Der Selbstbeschiss? Dadurch, dass ich ja weiss, dass es zeitlich limitiert ist, habe ich nicht angefangen die Stunden und Tage zu zählen. Im meinem Kalender steht ein Ablaufdatum. Bis ich das nicht erreicht habe, muss ich mir keinen Kopf machen.

Und ich muss gestehen, das Aufhören war deutlich leichter als gedacht bislang. Ich habe am Tag zwischen 15 und 25 Zigaretten geraucht. Mein Körper hat an den ersten zwei Tagen noch reagiert, danach waren es eher die Rauch-Rituale, die mich das Rauchen haben vermissen lassen. Erwische mich dabei, wie ich den frischen Kaffee neben dem Aschenbecher vorm Büro abstellen. Will beim Video-Dreh eine Pause einlegen, um eine zu Rauchen. Überlege bei jedem Autobahn-Parkplatz, ob es nicht langsam mal Zeit wäre, recht raus zu fahren. Aber dann. Geht es doch erstaunlich gut. Und ich bin sehr gespannt, was ich nach den sechs Wochen mache. Aber erstmal halte ich die durch.

Hey Leute, was geht?

Hau ab, die Streber stehen da drüben.

Ich kann ja Leute nicht ausstehen, die ihr Lebensmodell als das einzig Wahre sehen und die Welt unbedingt bekehren wollen. Religion. Vegane Ernährung. Elektroautos. Lasst mich bloss in Ruhe. Und so will ich auch niemanden empfehlen, mir nachzueifern. Was auch nicht ratsam wäre, denn seit über 30 Jahren betreibe ich wilden Raubbau an meinem Körper. Was ich aber sagen kann – fang an Dich zu bewegen, Digga! Es lohnt sich. Und irgendwie regelt sich alles so nach und nach. Ohne, dass man es forcieren muss. Zumindest wenn man einen Funken Willen hat.

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