Artikelformat

Shanghai durch das Busfenster

Allgemeinhin denken die Leute ja, dass ich einen absoluten Traumjob habe. Ständig neue Auto, immer im Sonnenschein. Tolle Reisen. Phänomenale Hotels. Leider sieht die Realität zu oft eben so aus, dass man in der Zeit eine Menge zu arbeiten hat und auch dem Diktat des Programms unterworfen wird. Was vollkommen ok ist, denn die Hersteller laden mich ja eben nicht zu Urlaubsveranstaltungen ein, sondern wollen, dass ich möglichst viel über ihre Produkte lerne.

Audi hatte mich jetzt zur ersten CES Asia, einem asiatischen Ableger der CES in Las Vegas der zum ersten Mal in Shanghai stattgefunden hat, eingeladen. Abflug am Freitag um 23 Uhr in Frankfurt. Nach 10 Stunden Flug dann Landung um 15 Uhr Ortszeit in Shanghai. Am zweiten Tag sind wir dann mit dem Bus vom Hotel zu einem Audi Händler in Shanghai gebracht worden und von dort zum Mittagessen ins Zentrum der Stadt an den Huangpu-Fluss, der am Rande der Stadt in den deutlich bekannteren Jangtsekiang mündet.

Diese Shuttle-Fahrten habe ich dann genutzt, um ein paar Fotos zu schiessen. Für mehr war wirklich keine Zeit.

Was aber auch gar nichts macht, denn nur diese kurze Fahrt hat mir schon ganz viele Eindrücke um die Ohren gehauen. Vor zwei Jahren war ich das letzte Mal in Shanghai und gefühlt hat sich die Anzahl der Hochhäuser und Wolkenkratzer mindestens verdoppelt. Die ganze Stadt pulsiert. Und ich spüre das. Nach 10 Minuten im Shuttle habe ich schon die Relationen zu Größenverhältnissen verloren. In Deutschland stehen wir staunend im Frankfurter Banken-Viertel. Das würde in Shanghai nicht mal als Block groß auffallen. Die Häuser sind regelmässig so hoch, dass ich mich schwer tue abzuschätzen wie viele Etagen es wohl diesmal sind.

Richtet man seinen Augen dann wieder auf die Strasse, so kann man ein emiges, aber beschauliches Treiben beobachten, was ich als organisiertes Choas bezeichnen würde. Verkehrsregel gibt es. Die wichtigste scheint aber zu sein, dass man möglichst viel hupt. Ich schlafe bei offenem Fenster. Wenn es denn geht. Und selbst in der Nacht bzw. morgens um 4 Uhr hörst Du regelmässig Autohupen. In den Stosszeiten dann, habe ich mehrmals irritiert aufgeschaut, als es mal 5 Sekunden lang kein Hupen gab.

Für eine Mega-Stadt mit geschätzten 22 Millionen Einwohnern (Berlin hat hat 3.5 Millionen) geht es aber dennoch sehr gesittet zu und selbst die Staus in denen wir gestanden habe, fand ich nicht so schlimm. Zwischen den ganzen Bussen und PKWs mogeln sich allerlei Zweiräder durch den Verkehr, darunter weit weniger Fahrräder als erwartet, dafür aber unzählige Elektro-Roller. Die Fahrer in der Regel ohne Helm und wenn doch, dann eher mit komischen Fantasiegebilden denn ordentlichem Kopfschutz. Meine These: Wenn Du es als Europäer 2 Tage auf einem Roller in Shanghai überlebst, dann wirst Du in Europa nie wieder Probleme haben.

Mein Bruder, den ich zwei Mal kurz getroffen habe, hat bereits 3 Jahre in Shanghai gelebt und ist jetzt wieder dorthin zurück gezogen. Ich war sehr schwer beeindruckt, als ich ihn das erste Mal habe mit den Chinesen sprechen hörte. Sicherlich, wenn man eine Sprache so beherrscht, dass man Business-Verhandlungen für deutsche Firmen betreibt, dann sollte es kein Problem sein, eine Cola zu bestellen. Aber Chinesisch hört sich in meinen Ohren nun mal wie von anderem Stern an. Die Chinesen, mit denen er gesprochen hat, waren aber weit weniger überrascht als ich, von einem blonden Europäer in Landessprache Antworten zu bekommen. Er selbst sagt, dass es mittlerweile viel Europäer in Shanghai gibt, die fliessend Chinesisch sprechen. Shanghai hat eben nichts mit Mallorca zu tun. Wer nach Shanghai auswandert, scheint wohl auch deutlich besser zu wissen, was er will als die Protagonisten der diversen Auswanderer-Reality-Shows im Unterschichten-Fernsehen.

Zumindest in den Bereichen durch die ich geshuttelt wurde, hat sich Shanghai übrigens nicht nur extremst sauber sondern auch noch sehr grün präsentiert. Was ich persönlich ja an meinen Geburtsstadt Berlin so liebe und schätze – all das Grün überall – findet man ebenso in Shanghai. Wobei Shanghai nicht nur das Grün der ganzen Bäume am Strassenrad in meinen Augen prägt, sondern auch die zahlreichen Blumen, die vorzugsweise auf dem Mittelstreifen, aber auch gerne mal in einem hängenden Blumentopf an einer Ampel oder Strassenlaterne zu finden sind.

Und mir kam Shanghai so westlich vor, wie ein Chinatown in New York, Los Angeles oder dem Quartier asiatiq in Paris. Bloss eben deutlich größer! Chinesische Schriftzeichen paaren sich mit westlicher Werbung. Und sieht man mal von dem Gedränge in den Messehallen ab, sind die Chinesen wohl auch sehr entspannt. So zumindest meine Wahrnehmung.

Ich will auf jeden Fall zurück. Und gerne auch mal mit 1-2 Tagen mehr Zeit, um mir auch mal das drumherum anzusehen. Und mich auch abseits des Terminstresses ein Stück weit mehr auf die Stadt und ihre Bewohner einzulassen. Vielleicht klappt das ja mal in einem der nächsten Jahre, dass ich an einen offiziellen Termin noch eine Woche Familienzusammenführung dranhänge.

9 Kommentare

Kommentare sind geschlossen.